Sankt Pölten, 25.01.2019 (dsp) Mit einem Festgottesdienst in der Kapelle des Bildungshauses St. Hippolyt und einer Festakademie im Hippolytsaal feierte die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Pölten ihren Patron, den heiligen Thomas von Aquin.
In der Predigt ging Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz dann auf die Bedeutung der Bekehrung des Heiligen Apostels Paulus ein, der für die gesamte Christenheit eine herausragende Bedeutung hat, Juden und Heiden gleichermaßen ansprach und als „Missionar Europas“ in seinem Leben über 14.000 Kilometer zurückgelegt habe.
Nach feierlicher Begrüßung der Ehrengäste Bischof Dr. Alois Schwarz, Weihbischof Dr. Anton Leichtfried, des ehemaligen St. Pöltner Vizebürgermeisters und nunmehrigen Departmentleiter der PH-Niederösterreich in Baden - Prof. Dr. Alfred Brader, ÖVP-Stadtrat Peter Krammer, Altbürgermeister von Obritzberg-Rust - Herrn ÖR Franz Lahmer sowie Herrn Dipl.-Ing. Prof. Dr. Heinrich Wohlmeyer durch den PTH-Rektor Prof. Dr. Josef Kreiml, startete der Österreichische Botschafter beim Europarat in Straßburg, Dr. Gerhard Jandl, zum aktuellen Thema „Von Sarajewo nach Straßburg. Religion als Player in Staat und Politik“ in den Festvortrag.
Die Schlacht am Amselfeld
„Wenn immer man über den Balkan spricht, muss man zwangsläufig bei der Schlacht am Amselfeld anfangen. Das geht gar nicht anders. Am 28. Juni 1389, am Tag des Heiligen Veit, hat diese Schlacht stattgefunden. Ob sie nun wirklich mit einer krachenden Niederlage der serbischen Seite endete oder ob die Serben nicht doch militärische Hilfe aus Ungarn und aus dem Heiligen Römischen Reich hatten und so eher ein Unentschieden erreichten, ist bis heute nicht ganz klar. Insofern ist diese Schlacht der Kulminationspunkt der Geschichte des Balkan und das ist insofern berechtigt, weil ein Großteil des Balkans bis ins 20. Jahrhundert türkisch geblieben ist“, so Botschafter Dr. Gerhard Jandl.
Die österreichische Zeit Bosnien-Herzegowinas
1878 wurde Bosnien-Herzegowina von Österreich-Ungarn besetzt. 1908 wurde es dann voll in beide Reichhälften eingegliedert. Viele wichtige Gebäude, Straßen und Eisenbahnlinien in Bosnien-Herzegowina stammen aus dieser Zeit: „Viele Errungenschaften verdankt Bosnien-Herzegowina bis heute dem Wirken der österreichisch-ungarischen Monarchie wie beispielsweise das erste Gymnasium, das Nationaltheater, das Gebäude des Bosnisch-Herzegowinischen Staatspräsidiums und das stilistisch wertvolle Haus der Nationalbibliothek“, so Botschafter Jandl.
Auch das heute viel bemühte Islamgesetz der Republik Österreich stammt ursprünglich aus dem Jahr 1912. Um dem Problem der mangelnden Struktur und Hierarchie im Islam zu begegnen, schuf die neue Verwaltung das „Amt eines sogenannten ‚Großmuftis in Bosnien-Herzegowina’ damit auch die Muslime eine kirchenähnliche Hierarchie hatten und so einen einheitlichen Ansprechpartner“.
Bosniaken sind Muslime, Serben Orthodoxe, Kroaten Katholiken
Die Verbundenheit zwischen Volksgruppenzugehörigkeit und Glaube sei in den Menschen stark verwurzelt. Dazu Botschafter Dr. Jandl: „Bei der letzten Volkszählung 2013 lag der Anteil der Bosniaken und Muslime bei 50 Prozent, der Anteil der orthodoxen Serben bei 30 Prozent und jener der Katholiken oder Kroaten bei gut 15 Prozent. 2013 wurden interessanterweise Religionen und Nationalitäten getrennt erhoben, aber - wenn man sich das anschaut - dann sind die Zahlen erst ein paar Stellen hinter dem Komma unterschiedlich.“ Die muslimischen Bosniaken sind die am schnellste wachsende Volksgruppe und stehen teilweise unter Saudi-Arabischem Einfluss.
Der Bosnienkrieg – Botschafter Jandls persönliche Erfahrungen
Im Frühling 1992 begann der Krieg in Bosnien. „Ich war damals im Sicherheitsrat als einer der österreichischen Delegierten und ich erinnere mich noch lebhaft wie einer der Botschafter eines der ständigen Mitgliedsländer des Sicherheitsrates noch kurz vor Kriegsausbruch mit Nachdruck meinte, ein Krieg in Bosnien sei denkunmöglich, denkunmöglich deswegen, weil die dortigen Volksgruppen viel zu gemischt und vermischt untereinander leben. Das war ein schrecklicher Denkirrtum.“
Die Österreichische Bundesregierung habe sich damals gemeinsam mit Kroatien, Ungarn und Deutschland sehr bemüht, die Probleme in Bosnien vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu bringen: „Da war es für die einen oder anderen ein relativ leichtes zu sagen, na bitte, Österreich und Ungarn, so wie 1878 fangen sie jetzt schon an. Und es gab sogar noch weit hinterfotzigere Bemerkungen anderer Kollegen, meistens hinter vorgehaltener Hand, die gesagt haben: Dass die Österreicher und die Deutschen und die Kroaten und die Ungarn gemeinsame Sache machen, das hatten wir doch schon einmal und brauchen wir diese Zeit unbedingt wieder? Also das war natürlich – man kann es nicht anders bezeichnen - Hinterfotzigkeiten der schlimmsten Art“ auf diplomatischem Parkett. Es hätten sich die österreichischen Befürchtungen bald als richtig herausgestellt. Der Krieg war furchtbar grausam. Es gab 200.000 Tote und über 1000 zerstörte Kirchen und Kapellen.
Bosnien-Herzegowina heute
Nach der Bombardierung von Belgrad und dem Dayton-Vertrag, der auf dem gleichnamigen Luftwaffenstützpunkt der Vereinigten Staaten unterzeichnet wurde, war der Krieg beendet und Bosnien-Herzegowina als Staat mit zwei Teilrepubliken entstand. „Die serbisch dominierte Republika Srpska ist zentralistisch aufgebaut, die kroatische Föderation ist mit zehn Kantonen föderal aufgebaut. Diese Kantone sind entweder kroatisch oder bosniakisch“, so Jandl. Aufgrund der drei Volksgruppen und des Dayton-Abkommens gibt es beispielsweise keinen Staatspräsidenten, sondern ein dreiköpfiges Staatspräsidium, viele dreifache Strukturen auf Regierungsebene und zusätzlich noch den nach wie vor anwesenden „High-Representative“ der Vereinten Nationen. Ein unglaublich aufgeblähter Apparat, weswegen vom ehemaligen bosnisch-herzegowinischen Außenminister Zlatko Lagumdzija das Zitat überliefert sei: „Ein Staat, zwei Teilrepubliken, drei konstitutive Völker, vier offizielle Religionen und eine Million Probleme.“ Auch der ‚High-Representative der UNO‘ vergebe viele gut bezahlte Stellen an Bosnier und daher hätten auch diese Leute kein Interesse auf eine rasche Verantwortungsübergabe an den bosnisch-herzegowinischen Staat“, so Botschafter Dr. Gerhard Jandl, der abschließend den Witz zum Besten gab: „Wenn man in Sarajevo auf dem Hauptplatz steht und ‚Herr Minister‘ ruft – was passiert dann?“ Antwort: „Mindestens 50 Prozent aller anwesenden Personen dreht sich um.“
So mancher Gast der heurigen Thomasakademie der PTH-St. Pölten ließ den spannenden und inhaltlich hochaktuellen Festvortrag in der Cafeteria des Bildungshauses St. Hippolyt bei interessanten Gesprächen und gutem Kaffee noch gebührend ausklingen.
Hier das Skript des Herrn Botschafters Dr. Gerhard Jandl herunterladen.