Eines ist klar: Ein Papst ist kein Übermensch, weder allwissend noch sündenlos. Er kann Fehler haben und falsche Entscheidungen treffen. Manches dunkle Kapitel der Kirchengeschichte erinnert sehr deutlich daran. Allerdings glauben wir - und darum geht es beim Begriff "Unfehlbarkeit" - dass trotz Irrtum und menschlicher Schwäche die Wahrheit des Evangeliums in der Kirche nie ganz verloren gehen kann. Nicht weil die Hirten der Kirche (mit dem Papst an der Spitze) so tüchtig wären, sondern weil Gott selbst dafür sorgt: Jesus Christus hat seiner Kirche den Beistand des Heiligen Geistes versprochen (vgl. Johannes 14,16-17 u. 16,12-13) und gibt uns damit Gewissheit: Gottes Wahrheit setzt sich immer wieder durch; sie ist unzerstörbar! Sogar in Zeiten großer Verdunkelung bleibt sie in ihren Grundzügen erkennbar.
Wahrheit setzt sich durch
Besonders deutlich tritt sie zu Tage, wenn alle Bischöfe, ja die Gesamtheit der Gläubigen in einer Sache, wo es um unser ewiges Heil geht, übereinstimmen. In zweitrangigen Fragen darf es dabei durchaus verschiedene Auffassungen geben. Gefährlich wird es nur dann, wenn es zu Streitfragen kommt, durch die die Substanz des christlichen Glaubens und der christlichen Ethik bedroht ist. Wenn dann, was sehr selten vorkommt, die Bischöfe gemeinsam (z.B. auf einem Konzil) oder der Papst ein endgültiges(!) Urteil fällen und ein "Dogma" verkünden, vertrauen wir darauf, dass Gott eine so wichtige Entscheidung nicht "fehlgehen" lässt und dass ihre Formulierung trotz zeitbedingter Ausdrucksweise in die richtige Richtung weist. Sie darf deshalb "unfehlbar" genannt werden.
Vieles ist fehlbar und dennoch wichtig
Die meisten Äußerungen der Bischöfe und Päpste (Interviews, Ansprachen, Hirtenbriefe, Enzykliken usw.) sind keine "Dogmen". Freilich werden katholische Christen und Christinnen den Hirten der Kirche im Normalfall auch dann Vertrauen schenken und ihre Weisungen ernst nehmen, wenn sie nicht "unfehlbar" sind (1 Thessalonicher 5,12). Ähnlich wie man einem Arzt oder anderen Fachleuten grundsätzlich vertraut, obwohl man weiß, dass in ihren Gutachten Irrtümer nicht 100%-ig auszuschließen sind. Ohne dieses Grundvertrauen wäre Gemeinschaft nicht lebbar, auch in der Kirche nicht. Das bedeutet keineswegs Kritiklosigkeit oder Passivität. Jeder Christ, jede Christin ist berufen, im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen(!) die Gemeinschaft der Kirche mitzugestalten. Im Laufe der Kirchengeschichte sind viele Anstöße zur Erneuerung der Kirche von Laien ausgegangen.
Karl Veitschegger