St. Pölten, 20.06.2018 (dsp/Tagespost) Eine Hochschulgemeinschaft in Studium und Gebet: St. Pölten zeigt, wie Theologie die Zukunft finden kann. Ein Beitrag von Prof. Dr. Veit Neumann in der "Tagespost".
In St. Pölten ist es sehr gut möglich, dem Vollstudium der Katholischen Theologie sowie der Katholischen Religionspädagogik nachzugehen. In der in ihrem Kern geistlich geprägten Stadt werden an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese (PTH) Theologen und Religionslehrer ausgebildet. Sie wurde vom Bischof von St. Pölten errichtet und feierte kürzlich ihr 225-jähriges Bestehen – allerdings mit dem Blick deutlich in die Zukunft gerichtet. Der Bischof von St. Pölten ist der Magnus Cancellarius, und es ist eine gute Tradition, dass er großes Vertrauen in die Theologen und Theologinnen setzt, die hier forschen und lehren. Die akademische Freiheit ist selbstverständlich. Die Institution in der Hauptstadt des Bundeslandes Niederösterreich ist staatsrechtlich anerkannt.
Vor allem aber: Theologie in St. Pölten findet unter zukunftsweisenden Bedingungen statt. Es sind die Bedingungen, die in absehbarer Zeit für die Theologie im deutschen Sprachraum überhaupt gelten werden. Theologie wird in den kommenden Jahren immer weniger ein Selbstläufer sein und sie hat zu reflektieren, auf welche Weise sie konkret der Kirche und der Gesellschaft dient, erklärte kürzlich der Pastoraltheologe Ludwig Mödl in Eichstätt. Diese Reflexion wird künftig von theologischen Einrichtungen auch an staatlichen Universitäten immer mehr zu leisten sein. In St. Pölten wird das bereits gelebt, ohne dem Zeitgeist oder einem übersteigerten Selbstwertgefühl zu verfallen. Wir achten auf Ressourcen, da wir uns in der Verantwortung wissen gegenüber der Diözese St. Pölten und gegenüber einer suchenden Gesellschaft im Umbruch. Der Patron der Hochschule ist der heilige Thomas von Aquin.
Was konkret dafür spricht, das Studium an der PTH aufzunehmen? Die Theologie, die hier betrieben wird, bietet große Vorteile: Erstens ist sie eigenständig, in der Region verwurzelt und kritisch-aufgeschlossen für die Welt. Zweitens bilden die Professoren, Dozenten und Studierenden eine echte Hochschulgemeinschaft. Eine solche habe ich im Lauf meiner theologischen Studien bisher allenfalls an der theologischen Fakultät der Jesuiten im kolumbianischen Bogotá erfahren. Ich meine die Hochschule als echte Gemeinschaft, die miteinander den Weg des theologischen Studiums und des Glaubens geht. Die Dozenten können sich persönlich um die Anliegen von Studenten und Studentinnen kümmern. In diesem Sinne verstehen wir Theologie als ein immer wieder gemeinsames Reflektieren. Übrigens hat sich der PTH-Lehrkörper in den vergangenen Jahren vielfältig und gleichzeitig organisch entwickelt: Laien, Ordensleute und Priester, Frauen und Männer sowie Österreicher und Nicht-Österreicher vereint das Bestreben, der Kirche – der Weltkirche wie auch der Diözese St. Pölten – zu dienen. Lag der Fokus zunächst auf dem Schwerpunkt der Heranbildung eines qualifizierten Klerus, so ist die PTH gemäß Satzung darüber hinaus auf die philosophisch-theologische Lehre und Forschung ausgerichtet. Rund 130 Studierende nehmen die vielfältigen Angebote derzeit in Anspruch. Die Hochschulgemeinschaft lebt insbesondere vom Miteinander der zahlreichen jungen Studenten und interessierten Personen, in denen während des Berufslebens der Wunsch nach dem Mehrwert der Theologie immer stärker wurde. Außer einer Studiengemeinschaft ist unsere Hochschule eine Gebetsgemeinschaft. Dass wir eine immer mehr geistliche Gemeinschaft werden, ist Bischof Klaus Küng ein großes Anliegen. Diese studierende und betende Gemeinschaft findet ihre Konkretisierung und Fortsetzung im Verein der Freunde der Philosophisch-Theologischen Hochschule, der akademische Anliegen unterstützt und menschlich zusammenführt. Gertrud Moser, Absolventin der Hochschule, setzt immer wieder nachhaltige Akzente, die die Identität der PTH weiter stärken.
Was die Vorteile der PTH angeht, so ist drittens die örtlich-geographische Lage der Hochschule sehr gut: Zurückzulegende Fußwege sind in der Einheit von Minuten auszudrücken. Ein kulturell erfreuliches und menschlich erwärmendes Kaffeehaus- sowie überhaupt gastronomisches Leben hat sich im Herzen St. Pöltens etabliert. Die PTH befindet sich mitten im Zentrum der 60 000-Einwohner-Stadt an der Traisen, in Sichtweite der Spitze des für sie so charakteristischen Domturms sowie auch in der Nähe des Hauptbahnhofs an der Westbahn, die die Menschen rasch in Richtung Wien und in Richtung Passau trägt.
Die St. Pöltner Theologie ist gerne katholisch, aber nicht ideologisch fixiert. Sie lebt die Mitte, die die Vielfalt des Denkens ermöglicht. Für sie ist es konstitutiv, sich immer wieder neu zu justieren. Prof. Dr. Gottfried Glassner OSB lehrt an der PTH die alttestamentliche Wissenschaft. Im Nachgang zu den Feiern des Bestehens der Institution seit 225 Jahren stellte der Benediktiner aus dem nahen Stift Melk fest: „Das Ringen um die rechte Rede von Gott, wie sie der große Kirchenlehrer und Patron der Hochschule Thomas von Aquin vorgibt und ans Herz legt, zielt auf die großen Fragen, die die Menschen auch heute bewegen. Im Sinne von Thomas zeigt sich Theologie dort ,von ihrer besten Seite‘, wo sie sich kritisch in den Disput um die gesellschaftlich verfasste Wirklichkeit einbringt. Die ihr eigene Aufgabe ist, da zu sein und als etwas wahrgenommen zu werden, das es braucht, um in einer Welt vielfältiger Heilsangebote und Ideologien nicht die Orientierung zu verlieren.“ Dieser kritischen Diskussion dient auch die Schriftenreihe der Hochschule, die im Regensburger Pustet-Verlag erscheint. Von dogmatischen Studien über exegetische Arbeiten bis zum kommentierten „Tagebuch eines Landpfarrers“ (Georges Bernanos) in der Neuübersetzung reicht das Spektrum.
Nicht nur lebt die PTH Vielfalt in sich, sondern auch einen fruchtbaren Austausch mit zahlreichen Einrichtungen nah und fern. Miteinander und Kooperationen bestehen mit der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz, die Studierende zur St. Pöltner Religionspädagogik entsendet, der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, dem Internationalen Theologischen Institut Trumau, der Theologischen Fakultät Košice (Kaschau) der Katholischen Universität Ružomberok und dem Istituto Internazionale di Diritto Canonico e diritto comparato delle religioni an der Facolta di Teologia di Lugano, mit dem ein eigener kanonistischer Studiengang angeboten wird.
Zunächst war die philosophisch-theologische Lehranstalt, die in St. Pölten 1791 ihren Betrieb aufnahm, eine Ausbildungsanstalt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gewann sie an wissenschaftlicher Bedeutung. Seit 1. September 1971 heißt sie Philosophisch-Theologische Hochschule der Diözese St. Pölten. Und seit dem Studienjahr 1971/72 wird neben der fachtheologischen die religions- pädagogische Studienrichtung geführt, die kürzlich eine deutliche Aufwertung erfahren hat. Das Gebäude in der Wiener Straße 38, das ehemalige Franziskanerkloster, in dem das Priesterseminar und die Hochschule untergebracht waren, wird derzeit umgebaut. Das ist ein aussagekräftiges Symbol für die innere Aufmerksamkeit unserer Hochschulgemeinschaft für die Zeichen der Zeit, die wir leben. Vielleicht hatte Daniel Glattauer, österreichischer Erfolgsautor („Gut gegen Nordwind“), ebenfalls diesen Eindruck der ansprechenden Gemeinschaft im Wandel der Zeit, die wir bilden: Denn obwohl sich der Wiener nach mehreren Romanen ein Sabbatjahr verordnet hatte, kam er – als seine einzige öffentliche Aktion in diesem Zeitraum – zu uns: um Kommunikation und Beziehung von Menschen heute mit den Studierenden und Dozierenden in der Praktischen Theologie zu diskutieren.
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